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Bestrebungen zu schaffen. So trat 1864 zum erstenmal das
„Zentralkomitee des Vereins zur Pflege verwundeter und er-
krankter Krieger" ins Leben und entfaltete unter der begeisternden
und anfeuernden Führung der Königin eine überaus segensreiche
Wirksamkeit. Die Königin trat an die Spitze der gesamten
deutschen Krankenpflege, in den Dienst des Roten Kreuzes der
Genfer Konvention, das jetzt mit einem Male von allen Laza-
retten. von allen Arbeitsstuben der Barmherzigkeit wehte. Un-
ermüdlich sorgte die Königin für die Ausbildung von tüchtigen
Pflegern und Pflegerinnen, und sie ermunterte die Ärzte zur
Verbesserung der Behandlung Verwundeter.
Auf den Dänischen Feldzug 1864 folgten zwei Jahre des
Friedens. Man benutzte sie dazu, das weiter auszubauen, was
man im Kriege erprobt hatte. Als dann im Jahre 1866 der
Deutsche Krieg ausbrach, der Preußen an die Spitze Deutschlands
stellen sollte, da erwies sich von neuem die hohe Bedeutung einer
richtig geleiteten freiwilligen Krankenpflege. In allen deutschen
Staaten hatten sich inzwischen Vereine und Verbände gebildet,
und es war ein glücklicher Gedanke der Königin Augusta, sie alle,
deren Zahl sie noch auf 715 anwachsen sah. zu einem „Zentral-
verein vom Roten Kreuz" zusammenzufassen, der, wie
ein Geschichtsschreiber jener Zeit treffend sagte, und wie es auch
Kaiser Wilhelm I. offen ausgesprochen hat. „die deutsche Einheit
barmherziger Liebe schuf, als die politische Einheit noch ein Ziel
frommer Wünsche war."
Wie das Reich alle Zeit gerüstet sein muß. einem Angriff von
außen zu begegnen, so muß auch die Liebe gerüstet sein für den
Tag. da die Wunden und Kranken ihrer Hilfe begehren. Das war
der Gedanke der Königin, und ihre Pläne gewannen Gestalt zu-
erst durch die Stiftung des „Vaterländischen Frauen-
vereins" unmittelbar nach dem Kriege von 1866. Dieser Ver-
ein, der sich bald über ganz Preußen erstreckte, erhielt als Auf-
gabe, in Kriegszeiten die Verwundeten und Kranken zu pflegen,
in Friedenszeiten aber nach Möglichkeit jeder Rot und Bedräng-
nis zu begegnen und die Erziehung der Kinder der untersten
Volkskreise sowie die Fortbildung der Mädchen und Frauen zu
fördern.
Als wirklicher Nothelfer erwies sich der neue Verein zum
ersten Male im Jahre 1868 bei dem großen Notstand in Ost-
preußen. der bis zum Hungertyphus führte. Die Königin selbst
veranstaltete im Berliner Schlosse einen großen Bazar zum Vesten
der Notleidenden.
Und dann kamen die unvergeßlichen Tage 1870/71, da auf
den französischen Schlachtfeldern die Blume der deutschen Einig-
keit erblühte. König Wilhelm 1. richtete den Orden vom Eisernen
Kreuz wieder auf. Fürst Pleß ward an die Spitze der freiwilligen
Krankenpflege gestellt. Das Oberkommando aber sozusagen
übernahm die Königin. Auch sie bot ihren Heerbann auf: Der
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s
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zweihundert Jahren. In der zweiten Hälfte des siebzehnten
Jahrhunderts war unser Volk vor eine wirtschaftliche Aufgabe
von der allergrößten Schwierigkeit gestellt worden. Welche
beispiellose Verwüstung der unheilvolle Dreißigjährige Krieg
hinterlassen hatte, geht wohl am deutlichsten aus der Tatsache
hervor, daß erst im Jahre 1852 das Nationalvermögen, das heißt
der Gesamtbesitz des ganzen Volkes, dieselbe Höhe wieder erreicht
hatte, die es im Jahre 1618, beim Ausbruch des Krieges, inne-
gehabt hatte. Es ist nicht zu verwundern, wenn dem Geschlecht,
das auf den Trümmern des einstigen Wohlstandes zurückgeblieben
war. und seinen nächsten Nachfahren Sparsamkeit und Genüg-
samkeit als oberste Lebensregeln galten.
Überaus einfach nach heutigen Begriffen waren daher in
jenem ganzen Zeitraum die häuslichen Einrichtungen und die
Lebensweise. Der große Goethe, der Freund seines Fürsten, der
Minister des Landes, starb in einem halbdunklen Kämmerlein
von so dürftiger Ausstattung, wie es heute der Bürgermeister
eines beliebigen Landstädtchens verschmähen würde. Gestrichene
oder gar parkettierte Fußböden waren eine Seltenheit: Schlaf-
zimmer. Vorplätze, Wirtschaftsräume hatten zumeist nur geweißte
oder mit gelbem Ocker angestrichene Wände; manchmal war der
Fußboden mit Ziegeln belegt. Gegen die Winterkälte wußte
man sich einesteils nur schlecht zu verwahren. Viele Räume des
Hauses konnten überhaupt nicht geheizt werden: Teppiche über
den ganzen Fußboden eines Zimmers, Läufer auf Treppen und
Gängen, doppelte Vorhänge, Doppelfenster waren unbekannte
Dinge in einem bürgerlichen Hause. Andernteils hatten die
Häuser von alters her dickere Mauern; die großen Kachelöfen,
die oftmals vom Vorplatz aus geheizt wurden, und zwar in holz-
reichen Gegenden mit mächtigen Scheiten kernigen Buchenholzes,
strömten eine langdauernde, behagliche Wärme aus, und, den
Geldbeutel mehr als die Gesundheit berücksichtigend, hielt man
namentlich im Winter Türen und Fenster ängstlich geschlossen.
Zur Beleuchtung diente ums Jahr 1840 in manchen ländlichen
Gegenden noch der Kienspan. In den Stuben brannten selbst-
gezogene oder gegossene Talglichter und Öllampen einfachster
Art. Zum Feueranmachen oder Lichtainünden brauchte man
Schwefelhölzer, die arme Leute in ihren Häusern mit der Hand
anzufertigen und zum Verkauf umherzutragen pflegten. Ein
solches Schwefelholz konnte aber nicht durch Reiben in Brand
gesetzt werden; es bedurfte des Vorhandenseins einer glühenden
Kohle, oder aber das einfache Feuerzeug mußte in Bewegung
gesetzt werden; Stahl und Stein, durch deren Aneinanderschlagen
ein Funken entstand, der von einem Häuschen verkohlter Lein-
wand. dem Zunder, aufgefangen wurde und diesen zum Glimmen
brachte.
In der Beköstigung waren freilich seit dem Ende des sieb-
zehnten Jahrhunderts einige wesentliche Veränderungen ein-
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dem tatkräftigen Manne einen Wirkungskreis nach seinen
Wünschen versagt. Der Gram über dieses Mißgeschick fräs; an dem
Herzen des Mannes und machte ihn gegen seine Umgebung rauh
und unfreundlich. Im Jahre 1759 wurde die Stadt von den
Franzosen eingenommen und lange Zeit besetzt gehalten. Im
Eoetheschen Hause wurde der französische Hauptmann Thorane
einquartiert, der die Störung durch ein zuvorkommendes und höf-
liches Wesen abzuschwächen suchte. Aber der alte Rat. ein be-
geisterter Anhänger Friedrichs des Großen, kannte kein Entgegen-
kommen dem verhaßten Franzosen gegenüber. Bei jeder Ge-
legenheit machte er seinem Grolle über die ungebetenen Gäste
Luft, und nur den liebenswürdigen Bemühungen der Frau Rat
gelang es, einen ernsten Zusammenstoß der beiden Männer zu
verhindern. Bei der Belagerung der Stadt verzagte manch
tapferes Gemüt. Aber Frau Rat blieb, bis sie die Kugeln auf
kurze Zeit vertrieben, und bewahrte in allen Drangsalen den
Trost, daß es nicht schlimmer gekommen sei.
Es war nur natürlich, daß sich zwischen dem mürrischen, rück-
sichtslosen Vater und dem heitern, von Lebenslust übersprudeln-
den Sohne ein Gegensatz der Meinungen herausbildete, der sich
mit den Jahren zu einer Kluft erweiterte. Da war es immer
wieder Frau Rat, die klug und weise die Gegensätze zu überbrücken
verstand und die Mißstimmung mit lieber Herzlichkeit bei beiden
Teilen zu beseitigen wußte. Kamen dennoch Szenen zwischen
Vater und Sohn vor, dann war die milde, begütigende Frau Rat
erst recht am Platze, und der Sohn preist dankbar ihre Kunst,
drohende Gewitter zu verscheuchen, das üble zu vertuschen und
auszugleichen. In seinem berühmten Epos „Hermann und Doro-
thea" hat Goethe diese Bemühungen seiner Mutter in der schönsten
Weise verherrlicht. Die schwersten Tage kamen über Frau Rat.
als ihr verbitterter Mann erkrankte. Da wurde sie seine uner-
müdliche Pflegerin, die viele Jahre des besten Lebensalters dem
Gatten zum Opfer brachte. Den furchtbarsten Augenblick erlebte
sie aber, als ihr vergötterter Sohn während eines Aufenthalts im
elterlichen Hause so schwer erkrankte, daß sein Tod nahe schien.
In ihrer Not und Herzensangst suchte sie Trost bei Gott. Wie
furchtbar für sie die Stunde der Entscheidung war, erkennt man
daran, daß der Mutter nie die Erinnerung daran geschwunden ist.
Was Frau Rat in allen diesen herben Prüfungen stärkte und
über die düstern Schatten hinaushob. das war ihre herzinnige
Frömmigkeit. Die Quelle ihres Glücks und ihrer Zufriedenheit
war das unerschütterliche Gottvertrauen und die felsenfeste Über-
zeugung, daß alles, was geschieht, zum Vesten der Menschheit ge-
schehe. Sie konnte sich nichts Herrlicheres denken als ein ver-
trauensvolles, hingebendes Gebet. Aber bei ihrer Natur setzte sich
die Frömmigkeit allezeit ins Praktische um. Ihr Glaube wurde
zur Tat, die werktätige Liebe durchdrang ihr Christentum. In
allen Lebenslagen gab ihr der Wille Gottes stets die Lösung. Es
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Ja. sie besuchte sogar die Armen in den engen Gäßchen und selbst
in der Cholerazeit die Spitäler. Obwohl selbst leidend, ging sie
Weihnachten 1852 in der strengen Winterkälte zu den Feiern in
den verschiedenen Anstalten, um die Teilnehmer durch Geschenke
zu erfreuen. Da sprach das Herz zum Herzen, und diese aufopfernde
Tätigkeit belohnten die Koblenzer, indem sie mit unbegrenzter
Liebe an der Prinzessin hingen.
Am 2. Januar 1861 bestieg Augustas Gemahl als König
Wilhelm I. den Königsthron, und Augusta war jetzt Königin
von Preußen. In einem Liede, bei der Krönungsfeier am
18. Oktober 1861 in Königsberg gesungen, hieß es:
„Auch neig Du. Königin,
unserem treuen Sinn
gnädig Dich zu!
Und an des Königs Hand
sei Mutter Deinem Land,
thronend in Volkes Lieb'.
Augusta. Du!"
Dieser Wunsch ist reich in Erfüllung gegangen. Ihre volle
Kraft setzte die Königin an die Aufgabe, ihrem Lande eine rechte
Mutter zu sein, und sie konnte dies bald beweisen, als im Jahre
1864 der fünfzigjährige Friede, dessen Preußen sich zu erfreuen
gehabt hatte, zum erstenmal wieder durch Krieg und Kriegsgeschrei
unterbrochen ward. Wohl blühten Preußens Lorbeeren in Schles-
wig-Holstein aufs neue: aber der Lorbeer wächst nur unter Blut
und Tränen, und sie zu stillen, das war die vornehmste Sorge der
Königin. Während dieses Krieges und der beiden folgenden in
den Jahren 1866 und 1870/71 erwies sich Augusta als die S a m a -
riterin auf Preußens Thron.
Im Jahre 1862 hatte die Königin die Schrift gelesen, in der
der Genfer Henri Dunant das Elend der italienischen
Schlachtfelder schilderte und die Menschheit zur Bildung frei-
williger Hilfsgesellschaften für die Pflege der verwundeten und
erkrankten Soldaten aufrief. Später sagte sie selbst zu Dunant:
„Ich habe Sie sofort verstanden. Ich war so bewegt, daß ich auch
dem König Ihre Schrift zu lesen gab." Als der edle Menschen-
freund 1863 nach Berlin kam. um Preußen für seinen Plan zu
gewinnen, hat die Königin ihn eifrig unterstützt. Im August des
folgenden Jahres kam es dann zu dem Abschluß der berühmten
Genfer Übereinkunft für das Rote Kreuz. Dunant hat es
rückhaltlos ausgesprochen, daß keine andre Fürstlichkeit sich so ent-
schieden dafür verwendet hat wie die Königin Augusta.
Zwar zeigte sich gleich beim Ausbruch des Krieges im Jahre
1864 die Barmherzigkeit in allen Schichten der Gesellschaft: aber
es fehlte die einheitliche organisierende Leitung. Die Königin
entschloß sich nun. einen Zusammenschluß der bis dahin für sich
Wirkenden herbeizuführen und einen Mittelpunkt für diese ganzen
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Henri_Dunant Dunant August Dunant
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spannt, ja nicht selten arbeiten sich beide direkt entgegen, und das
Kind trägt statt Segen nur Schaden davon.
Es ist daher nur recht und billig, daß die Schule auf die häus-
lichen Verhältnisse ihrer Schüler gebührend Rücksicht nimmt, daß
z. B. in solchen Klassen, in denen viele Kinder ihren Eltern in
der schulfreien Zeit helfen müssen, nicht allzuviel häusliche Auf-
gaben zur Erledigung gestellt werden: es ist notwendig, datz der
Lehrer, wo es immer angeht, an die Eltern herantritt, um mit
ihnen besondre Fälle, die ihr Kind betreffen, zu besprechen.
Ebenso wichtig ist es aber. das; auch die Eltern von ihrer Seite
ein Handinhandgehen mit der Schule herbeizuführen suchen.
Dazu ist zunächst erforderlich, datz die Eltern überhaupt prin-
zipiell der Schule nicht feindlich gegenüberstehen. Das wäre das
denkbar schlimmste Verhältnis zwischen beiden Mächten, und es
kommt doch, wie man häufig bemerken kann. öfter vor, als man
annehmen sollte. Datz sich in manchen Fällen die Abneigung
mehr gegen die Personen der Schule wendet als gegen die Sache,
das ändert in der Wirkung der Feindschaft nicht viel. Fast ebenso
schlimm wie Feindschaft ist Gleichgültigkeit gegen die Schule.
Diese soll doch in der Familie ihre beste Stütze finden. Das er-
fordert aber vor allen Dingen, datz sich die Eltern um die Schul-
erziehung bekümmern und mit warmer, reger Teilnahme ihre
Arbeit begleiten.
Allerdings soll sich dieses Interesse nicht nur in einem be-
ständigen Nörgeln und Beanstanden der Matznahmen der Schule
erweisen: denn dann schadet es mehr. als es nützt. Beständiges
Besserwissenwollen läßt ja auch keine vorurteilsfreie Würdigung
irgendeiner Sache zu. Es ist daher notwendig, datz man der
Schule zunächst ein gewisses Matz von Vertrauen entgegenbringt.
Was die methodische Behandlung des Unterrichtsstoffes angeht,
so hat die pädagogische Wissenschaft bis heute wohl Fortschritte
gemacht, so datz grobe Verstötze gegen die richtige Unterrichtsweise
zu den Ausnahmen gehören. Und autzerdem führen ja auch hier
viele Wege zum gemeinsamen Ziele.
Eine wichtige Bedingung für die Erfolge der Schule ist die
Autorität. Diese wird aber ganz sicher untergraben, wenn Eltern
im Beisein ihrer Kinder, die in solchen Momenten in der Regel
eine starke Auffassungsgabe verraten, abfällige Bemerkungen über
die Schule machen.
Wesentlich ist es, datz die Eltern die Entwicklung ihres Kindes
in der Schule mit Interesse verfolgen. Wenn Kinder in der
Schule leicht mit fortkommen, dann soll die Teilnahme der Eltern
zwar nicht geringer sein. aber sie werden nur selten in die Schul-
arbeit einzugreifen brauchen. Anders aber ist es mit den Kindern,
die nicht recht mit fortschreiten wollen im Gange der Schule. Da
tritt die wichtige Aufgabe an die Eltern heran, helfend einzu-
schreiten. Es ist alsdann durchaus nicht angebracht, wenn es auch
häufig geschieht, die Schule wegen ihrer geringen Leistungen zu
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Er machte daher mit dem kaiserlichen Notar kurzen Prozeß, in-
dem er ihn einfach zur Tür hinauswarf.
Während auf dem Reichstage die wichtigsten Angelegenheiten
oft jahrelang verschleppt wurden oder überhaupt keine Erledigung
fanden, füllte man dort die Zeit mit nichtigen Rang- und Form-
streitigkeiten aus. Die kurfürstlichen Gesandten verlangten, durch
Edelknaben mit goldenen Messern und Gabeln bedient zu werden,
und wollten den fürstlichen nur silberne, sowie nur Bediente zu-
gestehen; sie forderten am Maitage für sich sechs Maibäume und
gönnten den fürstlichen bloß vier, auch nahmen sie bei ihrer An-
kunft von der Stadt Regensburg ein größeres Geschenk an Wein,
Früchten und Fischen in Anspruch. Bei feierlichen Gelegenheiten
wollten sie auf roten Sesseln sitzen, während die fürstlichen nur
grüne haben sollten. Als man sich endlich dahin geeinigt hatte,
daß überall nur grüne hingestellt würden, erschien ein kurfürst-
licher Gesandter in einem roten Mantel und ließ ihn während
der Tafel so über den Sessel zurückfallen, daß er anscheinend auf
einem rotbeschlagenen Stuhle saß; er glaubte damit, wie er an
seinen Hof schrieb, den hergebrachten Vorzug der kurfürstlichen
Gesandten gerettet zu haben. Auch über die Stellung der Stühle
gab es einen heftigen Streit. Hatten die kurfürstlichen das Recht,
sie auf den Teppich zu stellen, auf dem der kaiserliche Gesandte
unter einem Baldachin saß, so beanspruchten die fürstlichen
Gesandten, ihre Sessel wenigstens auf die Fransen setzen zu dürfen.
Wegen eines Rangstreites, den der Gesandte eines kleinen Staates
angezettelt hatte, kam es wohl vor, daß feierliche Umzüge unter-
brochen werden mußten; ja, als einmal bei einem Gastmahl der
württembergische Gesandte einem geistlichen Vertreter die Frau
des österreichischen Gesandten weggenommen hatte, um sie zu
Tisch zu führen, wurden über diesen unerhörten Fall nicht weniger
als zehn Staatsschriften veröffentlicht. Einmal wäre es wegen
eines derartigen Streites fast zu einem Uriege zwischen zwei
Uleinstaaten gekommen.
Die Reichsstände beschuldigten den Uaiser, der Uaiser die
Reichsstände wegen der trübseligen Zustände im Reichstage. Von
allen Seiten wuchsen die Beschwerden über die Langsamkeit und
Erfolglosigkeit, über das Heranziehen unnützer Dinge, aber geändert
wurde nichts. Nach sach.
57. Fürst Bismarck.
Die Wiedergeburt des Deutschen Reiches bezeichnen zwei
Namen: Wilhelm I. und Otto von Bismarck. Dem Werk, das
jener geschaffen, hat dieser die Wege bereitet. Man kann den
einen nicht nennen, ohne an den anderen zu denken. Der erste
Uaiser und der erste Uanzler gehören untrennbar zusammen für
alle Zukunft. Darum denkt man sie gern vom Schicksal auch
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Wilhelm_I. Otto_von_Bismarck Otto
398
tiub bic Bedeutung des Kammergerichts, und in bei» folgeudeu
Jahrhunderten trugen dieselben Ursachen, welche die Schwächung
des Reiches herbeiführten, auch zum Verfalle des Reichskammer-
gerichts bei.
Seitdem das Gericht sich in Wetzlar eingerichtet hatte
(1693), schien es zu keiner gedeihlichen Wirksamkeit mehr gelangen
zu können. Alle größeren Gebiete wußten sich nach und nach der
Wirksamkeit eines Richterkollegiums zu entziehen, das sowohl
durch die Überordnung über die Landesherren als auch durch den
Schutz, den es bedrängten Untertanen verhieß, mit den Ansprüchen
der unumschränkten Fürstengewalt unverträglich schien. Auch trat
hier die Schwierigkeit, die sich in allen Verhältnissen des Reiches
kundgab, Geld für allgemeine Zwecke zu erlangen, bald hervor.
Der Geldmangel minderte die Zahl der Arbeiter von ursprüng-
lich 50 im Jahre 1719 auf die Hälfte herab. Die Unzulänglichkeit
der Kräfte zog die Entscheidung der Rechtsfälle über Gebühr hin-
aus und untergrub das Vertrauen. In dem Gericht selber waltete
derselbe Unfriede, der den Reichstag lähmte; entstand doch wegen
innerer Zänkereien 1701 ein Stillstand, der volle sieben Jahre den
Fortgang der Gerichtsbarkeit hemmte.
Schon 1616 sollen ganze Gewölbe voll Akten seit mehr als
20 Jahren nicht geöffnet und über 20 000 Sachen zurückgelegt sein,
über die niemals Bericht erstattet ward. Begreift sich dies aus
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, so muß man billig doch dar-
über staunen, daß im Jahre 1772. wo Goethe in Wetzlar weilte,
die Reste auf 60 000 angewachsen waren. Bereits 1651 war die
Bestimmung getroffen, daß alle, welche ihre Akten gern befördert
haben wollten, sich melden und nach ein, zwei oder drei Monaten
ihre Mahnungen wiederholen sollten; die Beisitzer waren ver-
pflichtet, solchen Personen schleunigst zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Obwohl etwa 1000 solcher Mahnungen jährlich eingingen und sich
bisweilen mehr als 250 Personen in Wetzlar aufhielten, um ihre
Sache zu betreiben, so konnten doch jährlich nur etwa 100 Fülle
erledigt werden. Wer seine Sache in Fluß bringen wollte, suchte
auf alle Weise die Gunst der Berichterstatter zu gewinnen. Eine
Menge Personen machte ein völliges Gewerbe daraus, durch Be-
stechungen die Beschleunigung eines Prozesses herbeizuführen. Im
Jahre 1771 wurde jemand zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt,
weil er 116 000 Gulden zu Bestechungen verausgabt hatte, und
eine Reihe Beisitzer, denen die Annahme von Geld nachgewiesen
ward, wurden des Amtes entsetzt.
Die Weitläufigkeit und Endlosigkeit des Verfahrens ging über
jede Vorstellung hinaus; ein einziger Prozeß wegen einer reichs-
gräflichen Besitzung hatte nicht weniger als 188 Jahre gedauert.
In einem Falle wurden 681 Zeugen vernommen, deren Aussagen
auf 10 861 Blättern zu lesen standen.
Es konnte nicht ausbleiben, daß infolge solcher Mißbräuche
das Ansehen des Reichskammergerichts immer tiefer fank. Aber
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Die „Wacht am Rhein" hatte in den heißen Sommertagen
von 1870 die französische Grenze überschritten. Vor Frankreichs
starker Flotte mußte unsere Marine eine Seeschlacht zu vermeiden
suchen und sich auf die Verteidigung der Küsten und Häfen be-
schränken. Zu ihrem Leidwesen konnten die Franzosen ihren
Plan. ein Heer an der deutschen Küste zu landen, nicht ausführen.
Aber die deutsche Marine sollte nicht untätig dem gewaltigen
Ringen zuschauen. Fern vom heimatlichen Kriegsschauplatz, im
Hafen von Havanna lag das deutsche Kanonenboot „Meteor", zu
welchem sich der schnellere und größere französische Aviso „Bouvet"
gesellte, der am 8. November den neutralen, spanischen Hafen ver-
ließ. Nach den Bestimmungen des Völkerrechts durfte ihm unser
„Meteor" erst nach 24 Stunden folgen. Nach Ablauf der Frist
stach auch er in See, um den Gegner zu suchen und anzugreifen.
Bald rollte der Donner der Geschütze über die Meereswogen: der
Zwischenraum verringerte sich schließlich auf 200 m. Da ging
„Bouvet" unter Volldampf auf das preußische Kanonenboot los.
um es mit dem scharfen Rammsporn in den Grund zu bohren.
Aber sofort erkennt man dort die große Gefahr und weiß durch ge-
schicktes Manövrieren die Absicht des Feindes wenigstens teilweise
zu vereiteln. Ein Zusammenstoß, der unserem Schiffe argen
Schaden zufügt, ist unvermeidlich. Der Groß- und Vesanmast
gehen über Bord. Da trifft eine wohlgezielte preußische Granate
den Kessel des „Bouvet" und macht ihn kampfunfähig. Jetzt ist
der Augenblick der Revanche für unseren „Meteor" gekommen, doch
seine Schraube wird durch überhängendes Tauwerk unklar, und
die Maschinen müssen stoppen. Auf dem Franzosen arbeitet man
mit fieberhafter Haft: Segel werden gesetzt, um gen Havanna zu
entfliehen. Kaum hat „Meteor" die Verfolgung wieder aufge-
nommen, als von spanischer Seite ein Signalschuß erdröhnt, der
den Kämpfern bedeutet: die neutrale Zone ist überschritten, alle
Feindseligkeiten sind einzustellen. — Bald lagen die beiden Schiffe
wieder im Hafen von Havanna nebeneinander, wie es vor 24 Stun-
den der Fall gewesen war.
Im Dezember 1870 erschien die deutsche Korvette „Augusta"
im Hafen von Bordeaux und kaperte drei feindliche Schiffe, zwei
Segler und einen Dampfer. Letzterer wurde verbrannt, die beiden
Segelschiffe aber als wertvolle Prisen nach Deutschland geschickt.
Ungeheure Aufregung rief dieser kecke Streich in Frankreich her-
vor. Sechs Panzer wurden ausgesandt zur Bestrafung der
„Augusta", die aber inzwischen im spanischen Hafen Vigo einen
Unterschlupf gefunden hatte und hier den Friedensschluß erwartete.
Die aus dem Gefecht von Jasmund rühmlichst bekannte
„Nymphe" befand sich bei Ausbruch der Feindseligkeiten in Dan-
zig. Als sich französische Panzer in der Danziger Bucht vor Anker
legten, ließ der Kommandant der „Nymphe" die Hafensperre von
Neufahrwasser beseitigen und ging im Schatten der Küste gegen
die Feinde vor. zwei Breitseiten auf sie abfeuernd. Dann eilte
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Extrahierte Ortsnamen: Rhein" Havanna Havanna Havanna Bordeaux Deutschland Frankreich Jasmund Dan-
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Ventrich, so ist es ganz in der Ordnung, dag du zu deren Unter-
haltung ebenfalls beitragen mutzt. Übrigens sind die Steuern in
Preutzen überhaupt viel niedriger als in anderen Ländern, z. V.
in Frankreich."
Jetzt gab Wiebach dem Gespräche eine andere Wendung, da
er daran dachte, weshalb der junge Bauer ihn aufgesucht hatte.
„Deine Einberufung patzt dir gewitz sehr schlecht. Wer soll
denn bei euch zu Hause deine Arbeit tun? Ich kann überhaupt nicht
einsehen, weshalb die vielen militärischen Übungen erforderlich
sind: sie verursachen nur unnütze Geldausgaben." „Sie scheinen
mir aber ganz unentbehrlich zu sein," bemerkte Karl Reif gelassen:
„denn im Falle eines Krieges reichen die Soldaten, die gerade ihrer
Militärpflicht genügen, das find zwei oder drei Jahrgänge, bei
weitem nicht aus, und es müssen auch die Reservisten und Land-
wehrleute zu den Waffen gerufen werden. Diese würden aber alles
Erlernte vergessen und dann im Kriege wenig brauchbar sein, wenn
sie nicht von Zeit zu Zeit wieder in den bunten Rock gesteckt würden."
„Wir leben aber doch mitten im Frieden, und einen Krieg
sollten wir überhaupt nicht mehr führen. Die Kriege bringen un-
säglich viel Jammer und Elend und sind gegen die christliche Lehre:
sie mützten gänzlich verboten werden." „Das ist leicht gesagt, aber
schwer ausgeführt!" bemerkte Karl Reif, „wer besitzt denn die
Macht, die Kriege zu verbieten, und vor allem, wie will man ein
Volk, das den Frieden nicht will, zwingen, mit uns in Frieden zu
leben? Doch nur durch Gewalt, also durch einen Krieg."
Er wollte noch weiter reden, wurde aber von Anna Wiebach
unterbrochen, die aus dem Schlafzimmer in die Wohnstube zurück-
kehrte, das Geld von der Fensterbank nahm und in ihr Porte-
monnaie steckte. Im Begriff, fortzugehen, wandte sie sich an ihren
Vater: „Soll ich unterwegs beim Fleischer vorgehen und zu
morgen Rindfleisch bestellen?" Sie erhielt aber nur ein barsches
Rein zur Antwort, und als sie zur Tür schritt, hörte sie noch, wie
der Vater mit verdrießlichem Tone sagte: „Das Fleischessen werden
wir uns im Hause noch ganz abgewöhnen müssen, damit die
Herren Soldaten, deren Zahl, wie ich in der Zeitung gelesen habe,
wieder vermehrt werden soll, ernährt werden können. Im letzten
Manöver sind so viel Patronen unnütz verschossen worden, datz von
dem in die Luft gejagten Gelde zahlreiche Familien ihren ganzen
Lebensunterhalt ein volles Jahr hindurch Hütten bestreiten können.
Da braucht man sich nicht zu wundern, datz die Steuern immer
höher werden."
„Da möchte ich doch an das Gespräch erinnern," bemerkte Reif,
„das vor vierzehn Tagen beim Gastwirt Büttner geführt wurde,
als wir dort nach der Beerdigung des Tischlers Meier, der den
Feldzug 1870/71 mitgemacht hatte, eingekehrt waren. Alle seine
Feldzugskameraden waren der Ansicht, datz die Franzosen sehr-
schlimm bei uns gehaust haben würden, wenn man sie damals ins
Land hineingelassen hätte. Das Fleischessen hätten wir uns gewitz
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Extrahierte Personennamen: Karl_Reif Karl Karl_Reif Karl Anna_Wiebach Büttner Meier
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Marinen, immer stärkere und bessere Panzerkreuzer zu baue»
als die andern. In diesem gegenseitigen Wettbewerb steigerte
sich die Größe des Panzerkreuzers und ist im Laufe der
Jahre von 6000 bis 8000 t auf 18 000 bis 20 000 t gewachsen:
das sind also Riesenschiffe, die den Schlachtschiffen an Größe nichts
nachgeben und sie in Zukunft vielleicht sogar übertreffen werden.
Diese mächtigen Schiffe werden nun freilich nicht mehr zu Auf-
klärungszwecken verwendet werden. Sie tragen ebenso schwere Ge-
schütze wie die gleichaltrigen Schlachtschiffe und sind allen früher
gebauten Schlachtschiffen an Kampfkraft weit überlegen. Ihre
Geschwindigkeit beträgt 24—26 Knoten. Es leuchtet ein, das;
ein starkes Schiff nicht lediglich für Aufklärungsaufgaben ver-
wendet werden darf. Da haben die Engländer nun eine Verwen-
dung herausgefunden, die sich auch im Russisch-Japanischen Kriege
als sehr nutzbringend erwiesen hat. Die schnellen starken Kreuzer-
werden in den Entscheidungskampf der Schlachtschiffe eingreifen,
indem sie den Feind vermöge ihrer hohen Geschwindigkeit umgehen,
von der anderen Seite fassen und so zwischen zwei Feuer bringen.
Verfügen beide Flotten über solche Panzergeschwader, so werden
sich Kümpfe zwischen ihnen entspinnen. Hat aber eine Flotte keine,
so befindet sie sich natürlich der anderen gegenüber im Nachteil.
Weit besser steht es in der deutschen Flotte mit den kleinen
Kreuzern. Wir haben fertig und im Bau 22 dieser kleinen Schiffe,
von denen die kleinsten bzw. ältesten 2600t, die neuesten 3800thalten.
Die Aufgaben dieser Schiffe sind in obigem genügend bezeichnet: es
kommt aber eine noch sehr wichtige hinzu, nämlich das Jagen und
Vernichten von feindlichen Torpedofahrzeugen. Hierzu haben
fast alle Marinen sogenannte Torpedobootzerstörer oder Torpedo-
jäger konstruiert, die eigentlich nur große Torpedoboote sind und
sich von diesen nur dadurch unterscheiden, daß sie eine etwas
schwerere Artilleriebewaffnung tragen. Sie haben aber den
großen Nachteil, daß sie meist nur schwach gebaut sind, geringen
Kohlenvorrat führen und bei schlechtem Wetter und hoher See sehr
stark an Geschwindigkeit einbüßen. Unsere kleinen Kreuzer da-
gegen sind sehr gute Seeschiffe, können großen Kohlenvorrat auf-
nehmen und werden auf die Dauer, besonders wie gesagt bei See-
gang. feindlicher Torpedoboote habhaft werden, auch wenn diese
anfangs und bei günstigen Wetterverhältnifsen erheblich schneller
laufen.
Auf den Ausbau einer Torpedoflotte hat man bei uns
von Anfang an großen Wert gelegt. Jährlich erhält unsere Flotte
einen Zuwachs von zwölf Booten, wobei allerdings zu bedenken
ist, daß all diese leicht gebauten Fahrzeuge schnell sich aufbrauchen
und nach reichlich einem Jahrzehnt für den Dienst auf hoher See
nicht mehr verwendbar sind. Im Kriege dürfen wir uns von den
Torpedobooten großen Nutzen versprechen. Einmal ist die ganze
Gestaltung unserer Küsten mit ihren flachen Gewässern und
Schlupfwinkeln, in die ihnen große Schiffe nicht folgen können, für
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